Seit Wegfall des Bahnmonopols für den Fernverkehr der Bahn 2011 erfreuen sich Fernbusreisen steigender Beliebtheit. Die Vorteile liegen dabei in häufig flexibleren Fahrplänen, effizienteren Strecken und insbesondere auch im Vergleich zur Bahn in günstigeren Fahrpreisen. Die für Fernfahrten eingesetzten Busse bieten dabei in der Regel einen hohen von den Gegebenheiten im VerkKomfort und sind nur bedingt mit denen des regionalen Linienverkehrs vergleichbar. Aufgrund des enormen Wachstumspotentials haben sich inzwischen zahlreiche Anbieter wie Flixbus, MeinFernbus und Postbus auf dem Markt etabliert.
Gleichzeitig sind Fernbusse jedoch auch starkehr abhängig. Unfälle und Verkehrsbehinderungen können auf Autobahnen schnell zu Verzögerungen führen. Da Fernbusse nicht wie die Bahn auf eigene Strecken zurückgreifen können, müssen sie sich der Natur nach die Straßen mit allen anderen Verkehrsteilnehmern teilen. Sie sind daher ebenso wie private Kraftfahrzeuge wesentlich von der Dichte des Verkehrs abhängig.
Dies führt in der Praxis auch zu zahlreichen rechtlichen Problemen. Im Gegensatz zu den etablierten Regelungen der Fahrgastrechte bei Nutzung der Bahn stellen Fernbusse noch ein vergleichsweise neues Konzept dar. In diesem Zusammenhang sticht insbesondere die Frage nach der Haftung von Unternehmen für verspätete oder gar ausgefallene Fahrten mit dem Fernbus hervor. Ob und inwiefern eine solche Haftung inzwischen rechtlich normiert ist, soll im Rahmen des folgenden Artikels beleuchtet werden.
Voraussetzungen für die Geltendmachung von Fahrgastrechten im Fernbusverkehr
Durch Öffnung des Marktes für Fernbusse im Linienverkehr sah die EU bereits frühzeitig den Bedarf an einer gesetzlichen Normierung der Fahrgastrechte gegeben. Hierdurch sollte insbesondere auch die Zersplitterung der Regelungen durch individuelle nationale Gesetze verhindert werden. Ziel war die Schaffung einer Verordnung mit Gültigkeit für die gesamte EU. Dieses Vorhaben wurde schließlich mit Verabschiedung der EU-Verordnung Nr. 181/2011 umgesetzt.
Hinsichtlich der Wirksamkeit der genannten Verordnung wurden zugleich jedoch auch verbindliche Voraussetzungen normiert. Mit diesen soll der Fernbusverkehr explizit von anderen Arten des Busverkehrs wie den regionalen Linienverkehr abgegrenzt werden. Ohne entsprechenden Regelungsgehalt der Verordnung wäre es in der Praxis voraussichtlich zu zahlreichen rechtlichen Streitigkeiten hinsichtlich des gesetzlichen Anwendungsgebietes gekommen.
Den Voraussetzungen der EU-Verordnung Nr. 181/2011 nach gelten die Fahrgastrechte für Verspätungen nur für den Linienverkehr mit einer Wegstrecke von mindestens 250 km. Während bestimmte Fahrgastrechte hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung von Reisenden auch für den Linienverkehr für Distanzen von unter 250 km gelten, beschränken sich die folgenden Ausführungen bezüglich der Rechte im Falle von Verspätungen entsprechend auf den tatsächlichen Fernverkehr.
Ferner von den Regelungen der Verordnung hinsichtlich der Fahrgastrechte bei Verspätungen ist zudem der Gelegenheitsverkehr in Form der Bustouristik sowie der Fernbusverkehr mit Schwerpunkt der Reisetätigkeit außerhalb der EU.
Fahrgastrechte bei Verspätungen nach der EU-Verordnung
Tritt im Rahmen des Fernbusverkehrs eine Verspätung oder gar Annulierung auf, muss der Beförderer den Reisenden umgehend innerhalb von 30 Minuten nach der eigentlichen Abfahrtszeit entsprechende Informationen über die Lage und voraussichtliche neue Abfahrtszeit zukommen lassen. Verstößt ein Unternehmen gegen diese Normierung, drohen im Ernstfall erhebliche Sanktionen durch die Aufsichtsbehörden.
Kommt es im Fernbusverkehr zu erheblichen Verspätungen oder Annulierungen, haben die Reisenden zudem verschiedene weitere Ansprüche. Diese richten sich nach der Höhe der Verspätung im konkreten Fall.
Grundsätzlich hat der Fahrgast bei Verspätungen mit einer Dauer von mehr als 120 Minuten die Wahl zwischen der vollständigen Erstattung des Fahrpreises und der Fortsetzung der Fahrt mit gegebenenfalls geänderter Streckenführung. Der Beförderer muss dem Fahrgast dabei explizit beide Optionen zur Verfügung stellen. Wird gegen diese Pflicht verstoßen, kann der Fahrgast neben der Erstattung des Fahrpreises auch eine weitere Entschädigung in Höhe von 50 % des Fahrpreises geltend machen.
Unbeschadet der vorgenannten Ansprüche stehen dem Fahrgast bei Verspätungen mit einer Dauer von mehr als 90 Minuten auch Mahlzeiten und Erfrischungen sowie bei einer erforderlichen Übernachtung die Inanspruchnahme eines Hotelzimmers für bis zu zwei Tage zu. Dieses muss dem Wortlaut der Verordnung nach unmittelbar durch den Beförderer bereitgestellt werden. Die Kosten für die Übernachtung können nach dieser Vorschrift jedoch auf 80 € pro Übernachtung beschränkt werden.
Ausgeschlossen ist die Pflicht zur Bereitstellung eines Hotelzimmers jedoch ausdrücklich bei Vorliegen von widrigen Wetterverhältnissen oder schweren Naturkatastrophen.
Keine Entschädigung für Verspätungen nach dem BGB
Da bei einem Beförderungsvertrag im Rahmen des Fernbusverkehrs der Transport zu einem bestimmten Ort geschuldet ist, handelt es sich der Rechtsnatur nach um einen Werkvertrag. Dieser ist in den §§ 631 ff. BGB geregelt und sieht für den Fall von Vertragsverletzungen entsprechende gesetzliche Schadensersatzansprüche vor. Theoretisch ist daher im Falle von Verspätungen auch an eine Geltendmachung gesetzlicher Schadensersatzansprüche nach dem BGB zu denken. Dieses Vorgehen war vor Einführung einer spezialgesetzlichen Normierung der Fahrgastrechte im Zugverkehr durchaus von praktischer Relevanz.
Das deutsche Recht sieht jedoch grundsätzlich die Verdrängung von allgemeinen Gesetzen durch speziellere Vorschriften vor. Da mit der EU-Verordnung Nr. 181/2011 inzwischen eine solche spezielle Vorschrift geschaffen wurde, werden die gesetzlichen Ansprüche hinsichtlich der Verspätung nach den §§ 631 ff. BGB vorliegend entsprechend verdrängt und damit von ihrer Anwendung ausgeschlossen.
Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Beförderer
Steht einem Fahrgast aufgrund von Verspätungen ein Anspruch auf Erstattung, Schadensersatz oder Entschädigung zu, muss er diesen zunächst direkt bei dem Beförderer geltend machen. Die Frist hierzu beträgt regelmäßig drei Monate nach Ende der Fahrt. Für die Geltendmachung der Ansprüche stellen die Beförderungen in der Regel spezielle Kontaktadressen oder Formulare bereit.
Kommt es zu Unstimmigkeiten über die Ansprüche, kann sich der Fahrgast nach Ablauf von 30 Tagen und erfolgloser Geltendmachung bei dem Beförderer auch an die staatliche Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. (kurz SÖP) wenden. Diese versucht im Streitfall einen Kompromiss zwischen Fahrgast und Beförderer zu erreichen. Letzte Instanz bei der Durchsetzung von Fahrgastrechten auch im Fernbusverkehr ist gesetzlich das Eisenbahn-Bundesamt mit Sitz in Bonn.