Es gibt Besucher, auf die man gerne verzichtet. Der Gerichtsvollzieher gehört sicherlich dazu. Aber auch er macht nur seine Arbeit. Das Gesetz versucht, den Interessen von Gläubiger und Schuldner gerecht zu werden. Dabei steht natürlich das Interesse des Gläubigers an der Realisierung seiner Forderung im Vordergrund. Die Möglichkeiten des Gerichtsvollziehers, effektiv zu vollstrecken, wurden mit dem „Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung“ vom 1.Januar 2013 reformiert. Kernpunkt war die Erweiterung der Befugnisse der Informationsbeschaffung durch den Gerichtsvollzieher.
Welche Personen dürfen Vollstreckungshandlung vornehmen?
Vollstreckungsberechtigt sind der Gerichtsvollzieher sowie die Vollstreckungsbeamten des örtlichen Finanzamtes und des Hauptzollamtes. Der Gerichtsvollzieher ist ein Organ der Rechtspflege. Er handelt auf Antrag des Gläubigers hoheitlich, allerdings nicht als Vertreter des Gläubigers. Er unterhält ein eigenes Büro, meist mit eigener Adresse und einem Telefonanschluss, über den er meist nur zu bestimmten Sprechzeiten erreichbar ist. Die Amtsgerichtsbezirke sind geschäftsplanmäßig mehreren Gerichtsvollziehern zugewiesen. Der Gerichtsvollzieher wird nur dann tätig, wenn ihn der Gläubiger mit einer Vollstreckungsmaßnahme beauftragt (§ 753 ZPO).
Finanzbeamte vollstrecken Forderungen des Fiskus (§ 285 AO). Vertreter des Hauptzollamtes vollstrecken öffentlich-rechtliche Forderungen des Bundes, von gesetzlichen Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften (§ 66 SGB X, VwVG). Sie haben die gleichen Rechte wie Gerichtsvollzieher. Vertreter von Inkassounternehmen hingegen haben keinerlei Vollstreckungsbefugnisse. Soll eine Forderung vollstreckt werden, muss diese gerichtlich festgestellt (tituliert) und der Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragt werden.
Was tun, wenn der Gerichtsvollzieher klingelt?
Gerichtsvollzieher kündigen ihren Besuch selten an. Sie setzen auf den Überraschungseffekt. Teils werden Schuldner aber auch schriftlich über einen Vollstreckungsauftrag informiert und um Ausgleich der Forderung gebeten. Reagiert der Schuldner nicht, kann ihn der Gerichtsvollzieher in sein Büro laden oder in zu Hause aufsuchen.
Der Schuldner ist nicht verpflichtet, den Gerichtsvollzieher in die Wohnung zu lassen. Er kann ihn abweisen. Dann zwingt er den Gerichtsvollzieher jedoch, auf Antrag des Gläubigers eine richterliche Durchsuchungsanordnung zu beschaffen (§ 758a ZPO). Sie berechtigt den Gerichtsvollzieher auch ohne Zustimmung des Schuldners dessen Wohnung zu betreten und sie notfalls unter Beiziehung eines Schlossers und auch eines Polizeibeamten gewaltsam zu öffnen. Ist der Schuldner nicht anwesend, soll der Gerichtsvollzieher zwei erwachsene Personen (z.B. Nachbarn) oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen hinzuziehen (§ 759 ZPO). Vollstreckungen zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen sind nur ausnahmsweise erlaubt. Der Zutritt zur Wohnung ist im Ausnahmefall auch ohne Durchsuchungsanordnung erlaubt, wenn “Gefahr im Verzug” ist (§ 758a I Satz 2 ZPO: Schuldner schickt sich an, wertvolle Gegenstände aus der Wohnung zu schaffen).
Ist der Gerichtsvollzieher in der Wohnung, ist er befugt, die Wohnung des Schuldners zu durchsuchen. Er darf verschlossene Türen und Behältnisse öffnen oder gewaltsam öffnen lassen.
Welche Vollstreckungsmaßnahmen sind möglich?
Jede Vollstreckungsmaßnahme erfordert einen vollstreckbaren Titel und einen Vollstreckungsauftrag des Gläubigers. Das Gesetz verpflichtet den Gerichtsvollzieher, im Vorfeld eine gütliche Erledigung anzustreben (§ 802a ZPO). Ferner ist er berechtigt, Auskunft bei der gesetzlichen Rentenversicherung über versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse des Schuldners, Auskunft beim Bundeszentralamt für Steuern über bestehende Konten und Auskunft beim Kraftfahrtbundesamt zur Kfz-Halterfeststellung einzuholen (§ 802l ZPO). Daneben darf er körperliche Sachen (Kfz, Fernseher) pfänden und verwerten sowie die Vermögensauskunft des Schuldners einholen (802c ZPO, früher: eidesstattliche Versicherung). Forderungen gegen Dritte (Lohn, Gehalt, Guthaben auf Girokonto) werden durch Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die zahlungspflichtige Person gepfändet.
Wessen Sachen der Gerichtsvollzieher pfänden?
Der Gerichtsvollzieher kann alles pfänden, was sich “im Gewahrsam” des Schuldners befindet (§ 808 ZPO). Er prüft nicht, ob die im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen zu dessen Vermögen gehören (§ 119 I Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher). Sachen, die dem Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner gehören, befinden sich ebenfalls im Gewahrsam des Schuldners. Es wird dann gesetzlich vermutet, dass auch diese Sachen dem Schuldner gehören (§ 1362 BGB).
Auch in einer eheähnlichen oder einer Wohngemeinschaft hat der Schuldner den Gewahrsam über alle in der Wohnung befindlichen Sachen. Will der wahre Eigentümer sein Eigentum geltend machen, muss er im Wege der “Drittwiderspruchsklage” gegen die Pfändungsmaßnahme vorgehen (§ 771 ZPO). Kann er sein Eigentum beweisen, wird die Pfändung aufgehoben. Allenfalls bei Gegenständen, die offensichtlich zum Vermögen eines Dritten gehören (dem Handwerker zur Reparatur überlassene Gegenstände, das einem Dritten gemäß Kfz-Brief gehörende Kfz), kann der Gerichtsvollzieher von der Pfändung absehen, sofern der Schuldner sein Nichteigentum sofort in völlig einwandfreier Form nachweisen kann (§ 119 II Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher).
Welche Sachen sind nicht pfändbar?
§ 811 ZPO zählt eine ganze Reihe unpfändbarer Sachen auf. Dazu gehören u.a. die dem persönlichen Gebrauch und dem Haushalt dienende Sachen oder Sachen, die der Schuldner für seine Berufstätigkeit und eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt. Auch Gartenhäuser sind unpfändbar, wenn sie der Schuldner oder seine Familie zur ständigen Unterkunft bedarf. Gewöhnliche Haushaltsgegenstände sollen außen vor bleiben, wenn ihr Erlös zu ihrem Wert unverhältnismäßig wäre (§ 812 ZPO). Haustiere sind unpfändbar (§ 811c ZPO). Der Gerichtsvollzieher ist zu einer Austauschpfändung berechtigt (§ 811a ZPO). Danach kann er beispielsweise einen teuren Fernseher wegnehmen und gegen einen einfachen Fernseher ersetzen.
Wie erfolgt die Pfändung?
Die Pfändung erfolgt dadurch, dass der Gerichtsvollzieher die zur Pfändung geeigneten körperlichen Sachen in Besitz nimmt. Er kann den teuren Fernseher sofort mitnehmen. Ansonsten bringt er auf dem Gegenstand ein Pfandsiegel an und gibt dem Schuldner damit die Möglichkeit, die Forderung doch noch zu bezahlen. Zerstört der Schuldner das Pfandsiegel, macht er sich strafbar (§ 136 StGB: Verstrickungsbruch). Mitgenommene Gegenstände kann der Gerichtsvollzieher öffentlich versteigern (§ 814 ZPO).
Wie werden Forderungen gepfändet?
Forderungen werden gepfändet, indem der Gläubiger über den Gerichtsvollzieher dem Zahlungspflichtigen einen “Pfändungs- und Überweisungsbeschluss” zustellt. So kann er das Gehalt beim Arbeitgeber oder das Girokonto pfänden. Arbeitseinkommen sind nur innerhalb der Pfändungsgrenzen pfändbar (§ 850c ZPO). Der persönliche Pfändungsfreibetrag liegt bei 1.045,04 € (Stand 1.1.2015). Ein Girokonto kann vor und auch noch während der Pfändungsmaßnahme als Pfändungsschutzkonto eingerichtet werden (§ 850k ZPO). Dem Schuldner verbleibt als Guthaben immer der persönliche Pfändungsfreibetrag.
Schuldner sind nicht auskunftspflichtig
Der Schuldner ist gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht auskunftspflichtig. Gerade deshalb hat die Rechtsreform die “Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers” eingeführt (§ 802l ZPO). Erst im Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft (früher eidesstattliche Versicherung) ist der Schuldner verpflichtet, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen. Er darf dann nichts verschweigen. Verschweigt er Angaben, macht er sich wegen “falscher Versicherung an Eides statt” strafbar (§ 156 StGB).