- Zivilrecht
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Schwarzfahren unter 18: Strafe, Höhe, Pflichten & Rechte
- Die rechtliche Beurteilung von Schwarzfahrten Minderjähriger ist komplex und durch uneinheitliche Entscheidungen der Amtsgerichte geprägt.
- Es zeichnet sich eine juristische Tendenz ab, das übliche erhöhte Beförderungsentgelt von 40 Euro abzulehnen und stattdessen auf den regulären Fahrpreis als Wertersatz zurückzugreifen.
- Verkehrsbetriebe stehen der Rechtsprechung kritisch gegenüber und warten auf eine klare höchstrichterliche Entscheidung, bevor sie ihre Praxis anpassen.
- Das Amtsgericht Jena lehnt das erhöhte Beförderungsentgelt gegen Minderjährige ab, mit der Begründung, dass diese aufgrund ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit keine solchen Verbindlichkeiten eingehen können.
- Alle Gerichte stimmen darin überein, dass Minderjährige den einfachen Fahrpreis zahlen müssen, weil sie die Dienstleistung ohne rechtlichen Grund in Anspruch genommen haben.
- Das Amtsgericht Köln urteilte, dass minderjährige Schwarzfahrer unter bestimmten Voraussetzungen einen Beförderungsvertrag abschließen können, insbesondere wenn sie von ihren Eltern Geld für den Fahrschein erhalten haben.
Die rechtliche Lage beim Schwarzfahren Minderjähriger gestaltet sich als komplex und ist bislang nicht einheitlich geklärt. Aufgrund der dezentralen Rechtsprechung kommen Amtsgerichte landauf, landab zu divergierenden Entscheidungen und entwickeln verschiedene Ansätze zur Lösungsfindung.
Dennoch zeichnet sich inzwischen eine Tendenz in der Rechtsprechung ab, die Eltern als Orientierung dienen kann, falls sie mit Forderungen nach erhöhten Beförderungsentgelten konfrontiert werden.
Die Tendenz geht dahin, die Forderung des üblicherweise angesetzten erhöhten Beförderungsentgelts von 40 Euro – oft als Konventionalstrafe bezeichnet – mehrheitlich abzulehnen. Stattdessen wird ein Wertersatz befürwortet, der sich an den regulären Beförderungskosten für die tatsächlich gefahrene Strecke orientiert, entsprechend der Regelung im § 818 Absatz II BGB.
Welcher Ansicht sind die Verkehrsbetriebe?
Die Verkehrsbetriebe stehen der aktuellen Rechtsauslegung kritisch gegenüber und vertreten die Auffassung, dass ihnen das Recht auf das erhöhte Beförderungsentgelt zusteht, da die Gesetzgebung des Bundes keine altersspezifische Differenzierung vornimmt. Sie bedauern das Fehlen einer grundlegenden höchstrichterlichen Klärung in dieser Angelegenheit und bevorzugen es, eine abwartende Haltung einzunehmen und je nach Situation individuell zu entscheiden. Die bisherigen Urteile auf unterer Ebene sehen sie nicht als wegweisend für ihre Praxis.
Haben Verkehrsbetriebe Anspruch auf erhöhtes Beförderungsentgelt?
Das Amtsgericht Jena (22 C 21/01) verneint mit seinem Urteil vom 05.07.2001 einen Anspruch der öffentlichen Verkehrsbetriebe auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt gegen minderjährige Schwarzfahrer. Die Begründung: Minderjährige sind lediglich beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) und daher nicht in der Lage, Rechtsgeschäfte, die sie finanziell benachteiligen und verpflichten, ohne Einwilligung der Eltern als ihre gesetzlichen Vertreter abzuschließen (§ 107 BGB).
Selbst wenn die gesetzlichen Vertreter ihren minderjährigen Kindern zuvor explizit finanzielle Mittel überlassen, um eine Fahrkarte zu erwerben, ändert das nichts an der rechtlichen Situation, da die Richter auf das Minderjährigenrecht abstellen, dem sie eindeutig Vorrang vor allen weiteren gesetzlichen Vorschriften geben. Die Einwilligung der Eltern bezieht sich ausschließlich auf den Erwerb der Fahrkarte und die damit verbundene Beförderung.
Wann hätten die Verkehrsbetriebe Anspruch auf erhöhtes Beförderungsentgelt?
So seltsam das auch klingt, die Verkehrsbetriebe hätten nur dann einen Anspruch auf Entrichtung des erhöhten Beförderungsentgelts (§ 340 BGB), wenn Minderjährige auch die Einwilligung ihrer Eltern zu den Schwarzfahrten nachweisen könnten, was in der Praxis natürlich wohl kaum vorkommen wird.
Aufgrund der Schwarzfahrt kommt ein rechtlich wirksamer Beförderungsvertrag nicht zustande, da die Einwilligung der Eltern fehlt (§ 107 BGB). Ohne Beförderungsvertrag kein Anspruch auf das erhöhte Beförderungsentgelt. Die Kollegen aus Bergheim kamen mit ihrem Urteil vom 15.10.1998 (23 C 166/98) zu einer ähnlichen Begründung. Den Vorschriften des Minderjährigenschutzes sei Vorrang gegenüber dem Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs am Zustandekommen und der Gültigkeit von Rechtsverträgen einzuräumen. Ein Beförderungsvertrag sei aus diesem Grunde nicht geschlossen worden, demzufolge bestehe auch kein Anspruch der Verkehrsbetriebe auf das erhöhte Beförderungsentgelt. Ansprüche gemäß § 823 BGB (Schadenersatz) scheiden insoweit aus, als ein absolutes Recht nicht verletzt wurde.
Der ausgeübte Verkehrsbetrieb ist nicht als geschütztes Rechtsgut anzusehen, da Schwarzfahrten Minderjähriger den eingerichteten und ausgeübten Betrieb nicht unmittelbar beeinträchtigen. Die Verkehrsbetriebe sind dennoch in der Lage, ihre Dienstleistung weiterhin uneingeschränkt auszuüben. Anders sähe die Rechtslage aus, wenn sie für den Schwarzfahrer einen anderen zahlungswilligen Fahrgast abweisen müssten, etwa wegen Überbelegung. Ein Zustandekommen rechtsverbindlicher Verträge durch die Lehre vom sozialtypischen Verhalten (konkludentes Handeln) oder durch die Lehre vom faktischen Vertrag (tatsächlich angebotene Leistung wird durch einen anderen angenommen) schließen die Richter gleichfalls aus, da sie den Minderjährigenschutz aushebeln. (AG Wolfsburg, Urteil vom 24.04.1990 – 12 C 30/90, AG Bonn, Urteil vom 22.04.2010 - 4 C 486/08).
Inwiefern sind die Gerichte sich einig?
Die Gerichte sind sich jedoch in der Hinsicht einig, dass eine Verpflichtung der minderjährigen Schwarzfahrer beziehungsweise der Eltern auf Entrichtung des regulären, einfachen Fahrpreises für die zurückgelegte Strecke besteht (§ 818 BGB). Die Minderjährigen nehmen ohne Rechtsgrund die Dienstleistungen der Verkehrsbetriebe in Anspruch, da kein Beförderungsvertrag aufgrund des Minderjährigenschutzes zustande gekommen ist. Dieser Anspruch ergibt sich aus den bereicherungsrechtlichen Vorschriften gemäß § 812 BGB (weitere §§ 813 – 822).
Warum kam das Amtsgericht Köln zu einem anderen Entschluss?
Zu einem anderen Entschluss kamen die Richter des Amtsgerichtes Köln mit Urteil vom 09.07.1986 (119 C 68/86). Sie bejahten das Zustandekommen eines Beförderungsvertrages, wenn Minderjährige über die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter zur Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln auf der Grundlage einer Generaleinwilligung (§ 107 BGB) in Form von „noch nicht individualisierten Rechtsgeschäften“ verfügen. Dies gelte insbesondere dann, wenn ihnen die Eltern zuvor explizit einen Geldbetrag zum Erwerb einer Fahrkarte zur Verfügung gestellt hätten (§ 110 BGB).
Es sei ja schließlich gerade Sinn und Zweck des § 107 BGB, dass Minderjährige Rechtsgeschäfte abschließen können, durch die sie nicht ausschließlich einen rechtlichen Vorteil erlangen. Der Rechtseinwand, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter läge gerade für Schwarzfahrten nicht vor, verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Die Richter sahen damals kein Problem darin, dass dieser Paragraph gegen den Minderjährigenschutz verstößt. § 110 BGB ist auch als sogenannter Taschengeldparagraph bekannt. Minderjährige können auf dieser Grundlage rechtlich wirksame Verträge mit Mitteln schließen, die ihnen ihre gesetzlichen Vertreter für einen bestimmten Zweck oder zur freien Verfügung überlassen (konkludente Generaleinwilligung durch Mittelüberlassung). Allerdings ist bei diesem Urteil zu beachten, dass die Entscheidung fast dreißig Jahre alt ist und das Verhalten minderjähriger Jugendlicher durch Neugestaltung von § 828 BGB, nach dem der Rechtsbruch junger Menschen als episodenhaft und normal angesehen wird, großzügiger ausgelegt wird.
Muss ich der Aufforderung zur Zahlung von erhöhtem Beförderungsentgelt nachkommen?
Nein, Eltern müssen einer Zahlungsaufforderung der Verkehrsbetriebe aufgrund eines Anspruchs auf erhöhtes Beförderungsentgelt von 40 Euro nicht nachkommen. Sie sollten umgehend Einspruch erheben und der Zahlung der Vertragsstrafe widersprechen und sich auf die regelmäßige Rechtsprechung berufen. Den Verkehrsbetrieben steht jedoch ein Anspruch auf Wertersatz (regulärer Fahrpreis) gemäß § 818 BGB zu. Minderjährige handeln schuldhaft, wenn sie über Mittel zum Erwerb eines Fahrausweises verfügen, dieser Erwerb jedoch unterblieben ist.
Ein Anspruch nach § 613 BGB auf Zahlung des einfachen Fahrpreises scheidet aus, da ein rechtswirksamer Beförderungsvertrag zwischen dem minderjährigen Schwarzfahrer und dem Verkehrsbetrieb aufgrund der fehlenden Einwilligung der gesetzlichen Vertreter für die Schwarzfahrt nicht zustande gekommen ist.
Welche Rolle spielt die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit?
Minderjährige sind nur einschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) und können Rechtsverträge, die sie finanziell verpflichten und durch die sie nicht ausschließlich rechtliche Vorteile erlangen, nur mit Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter abschließen (§ 107). Angesichts dessen ist ein rechtlich verbindlicher Beförderungsvertrag nicht zustande gekommen. Eine weitere Möglichkeit besteht in dem sogenannten Taschengeldparagraphen, auf dessen Grundlage Minderjährige wirksame Rechtsgeschäfte mit Mitteln abschließen, die ihnen durch ihre gesetzlichen Vertreter zweckgebunden oder zur freien Verfügung überlassen wurden (§ 110).
In diesem Fall stellt die regelmäßige Rechtsprechung jedoch darauf ab, dass minderjährige Schwarzfahrer die Dienstleistung der Verkehrsbetriebe ohne Rechtsgrundlage in Anspruch (§§ 107, 108, 133, 158 BGB) nehmen, da kein rechtswirksamer Beförderungsvertrag zustande gekommen ist. Ein Anspruch nach § 265 StGB in Verbindung mit § 823 BGB (Schadenersatzpflicht) scheidet gleichfalls aus, da Minderjährige nicht strafmündig sind.
Fazit rund um das Thema: Schwarzfahren unter 18 Jahren
Das Schwarzfahren Minderjähriger wird rechtlich kontrovers behandelt und die Gerichtsurteile sind nicht einheitlich. Eine generelle Tendenz in der Rechtsprechung neigt dazu, anstelle des erhöhten Beförderungsentgelts von 40 Euro einen Wertersatz in Höhe des normalen Fahrpreises zu fordern. Die Verkehrsbetriebe stehen dieser Auslegung skeptisch gegenüber und warten auf eine grundsätzliche Klärung. Das Amtsgericht Jena verneint den Anspruch auf ein erhöhtes Entgelt, basierend auf der eingeschränkten Geschäftsfähigkeit Minderjähriger. Dennoch besteht Einigkeit darüber, dass Minderjährige für die Inanspruchnahme der Verkehrsmittel den regulären Fahrpreis entrichten müssen. Somit müssen Eltern und Minderjährige nicht zwangsläufig dem erhöhten Entgelt nachkommen, sollten jedoch den einfachen Fahrpreis als Wertersatz leisten.
Häufig gestellte Fragen zum Schwarzfahren als Minderjähriger
Wir haben die am häufigsten gestellten Fragen für Sie gesammelt und beantwortet?
Kann man unter 18 fürs Schwarzfahren belangt werden?
Ja, auch Minderjährige können für das Schwarzfahren belangt werden. Es besteht eine Verpflichtung zur Zahlung des regulären, einfachen Fahrpreises für die zurückgelegte Strecke, gestützt auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften des § 812 BGB sowie weitere §§ 813 – 822 BGB. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit nach §§ 106 ff. BGB verhindert allerdings das Zustandekommen eines rechtlich wirksamen Beförderungsvertrages, wodurch Ansprüche auf das erhöhte Beförderungsentgelt meist abgelehnt werden.
Wie viel müssen Minderjährige beim Schwarzfahren bezahlen?
Minderjährige sind in der Regel dazu verpflichtet, den regulären Fahrpreis für die tatsächlich gefahrene Strecke zu entrichten, nicht jedoch das üblicherweise von den Verkehrsbetrieben geforderte erhöhte Beförderungsentgelt von 40 Euro. Dieser Betrag wird nach gängiger Rechtsprechung mehrheitlich als Konventionalstrafe betrachtet und abgelehnt, weil Minderjährige nicht wirksam in ein Rechtsgeschäft einwilligen können, das sie finanziell benachteiligt, ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter (§§ 106, 107 BGB).