Müssen Eltern beim Schwarzfahren ihres minderjähriges Kindes die 40,00 EUR zahlen?

Ansicht der Gerichte: Eltern müssen die Vertragsstrafe i.H.v. 40,00 EUR nicht zahlen

Das Thema Schwarzfahren Minderjähriger ist rechtlich umstritten. Es gibt bisher noch keine einheitliche Rechtsprechung. Jedes Amtsgericht legt das Thema anders aus und kommt zu unterschiedlichen Lösungsansätzen und Ergebnissen.

Es gibt mittlerweile jedoch mehrere Urteile, die Eltern als regelmäßige Rechtsprechung heranziehen können, sollten sie in die Situation kommen, einer Zahlungsaufforderung auf erhöhtes Beförderungsentgelt nachkommen zu müssen.

Die Mehrzahl der Richter verneint die Verpflichtung zu einer Entrichtung des erhöhten Beförderungsentgeltes in Höhe von 40 Euro (Konventionalstrafe, § 340 BGB) und bejaht einen Wertersatz in Höhe des üblichen Beförderungsentgeltes für die jeweils zurückgelegte einfache Strecke gemäß § 818 II BGB.

Ansicht der Verkehrsbetriebe

Die Verkehrsbetriebe sind mit dieser Auslegung nicht einverstanden. Ihrer Meinung nach steht ihnen ein Anspruch auf Entrichtung des erhöhten Beförderungsentgeltes zu, da die Bundesgesetze in dieser Hinsicht keine Altersgrenze vorschreiben. Sie bedauern, dass es bisher noch keine obergerichtliche Entscheidung gibt und beabsichtigen, abzuwarten und im Einzelfall zu entscheiden. Sie werten die bisher gefällten Urteile nicht als Präzedenzfälle.

Kein Anspruch der Verkehrsbetriebe auf erhöhtes Beförderungsentgelt

Das Amtsgericht Jena (22 C 21/01) verneint mit seinem Urteil vom 05.07.2001 einen Anspruch der öffentlichen Verkehrsbetriebe auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt gegen minderjährige Schwarzfahrer. Die Begründung: Minderjährige sind lediglich beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) und daher nicht in der Lage, Rechtsgeschäfte, die sie finanziell benachteiligen und verpflichten, ohne Einwilligung der Eltern als ihre gesetzlichen Vertreter abzuschließen (§ 107 BGB). Selbst wenn die gesetzlichen Vertreter ihren minderjährigen Kindern zuvor explizit finanzielle Mittel überlassen, um eine Fahrkarte zu erwerben, ändert das nichts an der rechtlichen Situation, da die Richter auf das Minderjährigenrecht abstellen, dem sie eindeutig Vorrang vor allen weiteren gesetzlichen Vorschriften geben. Die Einwilligung der Eltern bezieht sich ausschließlich auf den Erwerb der Fahrkarte und die damit verbundene Beförderung. So seltsam das auch klingt, die Verkehrsbetriebe hätten nur dann einen Anspruch auf Entrichtung des erhöhten Beförderungsentgeltes (§ 340 BGB), wenn Minderjährige auch die Einwilligung ihrer Eltern zu den Schwarzfahrten nachweisen könnten, was in der Praxis natürlich wohl kaum vorkommen wird. Aufgrund der Schwarzfahrt kommt ein rechtlich wirksamer Beförderungsvertrag nicht zustande, da die Einwilligung der Eltern fehlt (107 BGB). Ohne Beförderungsvertrag kein Anspruch auf das erhöhte Beförderungsentgelt. Die Kollegen aus Bergheim kamen mit ihrem Urteil vom 15.10.1998 (23 C 166/98) zu einer ähnlichen Begründung. Den Vorschriften des Minderjährigenschutzes sei Vorrang gegenüber dem Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs am Zustandekommen und der Gültigkeit von Rechtsverträgen einzuräumen. Ein Beförderungsvertrag sei aus diesem Grunde nicht geschlossen worden, demzufolge bestehe auch kein Anspruch der Verkehrsbetriebe auf das erhöhte Beförderungsentgelt. Ansprüche gemäß § 823 BGB (Schadenersatz) scheiden insoweit aus, als dass ein absolutes Recht nicht verletzt wurde. Der ausgeübte Verkehrsbetrieb ist nicht als geschütztes Rechtsgut anzusehen, da Schwarzfahrten Minderjähriger den eingerichteten und ausgeübten Betrieb nicht unmittelbar beinträchtigen. Die Verkehrsbetriebe sind dennoch in der Lage, ihre Dienstleistung weiterhin uneingeschränkt auszuüben. Anders sähe die Rechtslage aus, wenn sie für den Schwarzfahrer einen anderen zahlungswilligen Fahrgast abweisen müssten, etwa wegen Überbelegung. Ein Zustandekommen rechtsverbindlicher Verträge durch die Lehre vom sozialtypischen Verhalten (konkludentes Handeln) oder durch die Lehre vom faktischen Vertrag (tatsächlich angebotene Leistung wird durch einen anderen angenommen) schließen die Richter gleichfalls aus, da sie den Minderjährigenschutz aushebeln. (AG Wolfsburg, Urteil vom 24.04.1990 – 12 C 30/90, AG Bonn, Urteil vom 22.04.2010 – 4 C 486/08). Die Gerichte sind sich jedoch in der Hinsicht einig, dass eine Verpflichtung der minderjährigen Schwarzfahrer beziehungsweise der Eltern auf Entrichtung des regulären, einfachen Fahrpreises für die zurückgelegte Strecke besteht (§ 818 BGB). Die Minderjährigen nehmen ohne Rechtsgrund die Dienstleistungen der Verkehrsbetriebe in Anspruch, da kein Beförderungsvertrag aufgrund des Minderjährigenschutzes zustande gekommen ist. Dieser Anspruch ergibt sich aus den bereicherungsrechtlichen Vorschriften gemäß § 812 BGB (weitere §§ 813 – 822). Zu einem anderen Entschluss kamen die Richter des Amtsgerichtes Köln mit Urteil vom 09.07.1986 (119 C 68/86). Sie bejahten das Zustandekommen eines Beförderungsvertrages, wenn Minderjährige über die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter zur Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln auf der Grundlage einer Generaleinwilligung (§ 107 BGB) in Form von „noch nicht individualisierten Rechtsgeschäften“ verfügen. Dies gelte insbesondere dann, wenn ihnen die Eltern zuvor explizit einen Geldbetrag zum Erwerb einer Fahrkarte zur Verfügung gestellt hätten (§ 110 BGB). Es sei ja schließlich gerade Sinn und Zweck des § 107 BGB, dass Minderjährige Rechtsgeschäfte abschließen können, durch die sie nicht ausschließlich einen rechtlichen Vorteil erlangen. Der Rechtseinwand, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter läge gerade für Schwarzfahrten nicht vor, verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Richter sahen damals kein Problem darin, dass dieser Paragraph gegen den Minderjährigenschutz verstößt. § 110 BGB ist auch als sogenannter Taschengeldparagraph bekannt. Minderjährige können auf dieser Grundlage rechtlich wirksame Verträge mit Mitteln schließen, die ihnen ihre gesetzlichen Vertreter für einen bestimmten Zweck oder zur freien Verfügung überlassen (konkludente Generaleinwilligung durch Mittelüberlassung). Allerdings ist bei diesem Urteil zu beachten, dass die Entscheidung fast dreißig Jahre alt ist und das Verhalten minderjähriger Jugendlicher durch Neugestaltung von § 828 BGB, nach dem der Rechtsbruch junger Menschen als episodenhaft und normal angesehen wird, großzügiger ausgelegt wird.

Fazit

Eltern müssen einer Zahlungsaufforderung der Verkehrsbetriebe aufgrund eines Anspruchs auf erhöhtes Beförderungsentgelt von 40 Euro nicht nachkommen. Sie sollten umgehend Einspruch erheben und der Zahlung der Vertragsstrafe widersprechen und sich auf die regelmäßige Rechtsprechung berufen. Den Verkehrsbetrieben steht jedoch ein Anspruch auf Wertersatz (regulärer Fahrpreis) gemäß § 818 BGB zu. Minderjährige handeln schuldhaft, wenn sie über Mittel zum Erwerb eines Fahrausweises verfügen, dieser Erwerb jedoch unterblieben ist. Ein Anspruch nach § 613 BGB auf Zahlung des einfachen Fahrpreises scheidet aus, da ein rechtswirksamer Beförderungsvertrag zwischen dem minderjährigen Schwarzfahrer und dem Verkehrsbetrieb aufgrund der fehlenden Einwilligung der gesetzlichen Vertreter für die Schwarzfahrt nicht zustande gekommen ist. Minderjährige sind nur einschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) und können Rechtsverträge, die sie finanziell verpflichten und durch die sie nicht ausschließlich rechtliche Vorteile erlangen nur mit Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter abschließen (§ 107). Aus diesem Grund ist ein rechtlich verbindlicher Beförderungsvertrag nicht zustande gekommen. Eine weitere Möglichkeit besteht in dem sogenannten Taschengeldparagraphen, auf dessen Grundlage Minderjährige wirksame Rechtsgeschäfte mit Mitteln abschließen, die ihnen durch ihre gesetzlichen Vertreter zweckgebunden oder zur freien Verfügung überlassen wurden (§ 110). In diesem Fall stellt die regelmäßige Rechtsprechung jedoch darauf ab, dass minderjährige Schwarzfahrer die Dienstleistung der Verkehrsbetriebe ohne Rechtsgrundlage in Anspruch (§§ 107, 108, 133, 158 BGB) nehmen, da kein rechtswirksamer Beförderungsvertrag zustande gekommen ist. Ein Anspruch nach § 265 StGB in Verbindung mit § 823 BGB (Schadenersatzpflicht) scheidet gleichfalls aus, da Minderjährige nicht strafmündig sind.

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