Die Nutzerin Nicole Aßmann kam zu uns mit folgendem Anliegen:
Guten Tag zusammen,
der Kindesvater von meinem Großen (8) lebt in einer anderen Beziehung und erwartet in der nächsten Zeit ein Kind. Seine Freundin hat schon eine Tochter (8).
Der Unterhaltsvorschuss ist nun seit über einem Jahr ausgelaufen. Unterhaltszahlungen von ihm bekomme ich nicht.
Das Jugendamt prüft ihn auch halbjährlich, aber bis jetzt war nichts zu holen.
Frage:
Kann man das halbe Kind vom Expartner auf sich umschreiben lassen?
Ich finde es ungerecht, dass er ein halbes Kind darauf hat, aber nicht arbeiten geht und ich auf Unterhalt in dem Sinne verzichten muss.
Würde mich über eine Antwort sehr freuen 🙂
Die Meinung der Nutzerin Justitia dazu:
Liebe Nicole,
es besteht tatsächlich die Möglichkeit den Kinderfreibetrag auf Sie übertragen zu lassen.
Eltern, die nicht verheiratet sind, geschieden sind oder getrennt leben, haben grundsätzlich einen Anspruch auf den eigenen, halben Kinderfreibetrag.
Damit ein Elternteil den vollen Kinderfreibetrag erhalten kann, gibt es hierfür Übertragungsmöglichkeiten. Hierfür müssen jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Übertragung stattfinden kann
Voraussetzungen für die Übertragung des halben Kinderfreibetrages von dem anderen Elternteil auf den anderen Elternteil sind für einen Steuerpflichtigen (Elternteil) gem. § 32 Abs. 6 S. 3 EStG (http://www.gesetze-im-internet.de/estg/__32.html) und R 32.12 EStR (https://www.jurion.de/Gesetze/EStR_2005/32.12), wenn:
- der andere Elternteil verstorben ist (§ 32 Abs. 6 S. 3 Nr. 1, 1. Var. EStG),
- der andere Elternteil nicht unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig ist (§ 32 Abs. 6 S. 3 Nr. 1, 2. Var. EStG),
- der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat (§ 32 Abs. 6 S. 3 Nr. 2, 1. Var. EStG),
- das Kind nur zu dem steuerpflichtigen Antragstellenden in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht (§ 32 Abs. 6 S. 3 Nr. 2, 2. Var. EStG),
- der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist (R 32.12 Nr. 1 EStR),
- der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist (R 32.12 Nr. 2 EStR) und
- der andere Elternteil unterhaltspflichtig ist und seiner Unterhaltspflicht nicht mindestens zu 75 % Prozent nachkommt.
Gem. § 32 Abs. 6 S. 6 EStG können Sie nun einen Antrag auf Übertragung die dem anderen Elternteil zustehenden Freibetrag für Ihr Kind stellen, wenn der andere Elternteil (sprich der Vater Ihres Kindes) seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nicht nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Die letzte Variante bzgl. der Leistungsunfähigkeit gilt erst seit dem Veranlagungszeitraum 2012.
Jedoch scheidet eine Übertragung des Freibetrages für die Zeiträume aus, in denen Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt wurde, gem. § 32 Abs. 6 S. 7 EStG.
Fraglich bleibt nur noch, ob der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht im Wesentlichen erfüllt hat. Dabei wird zwischen Betreuungs- und Barunterhalt unterschieden.
Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, erfüllt seine Unterhaltverpflichtung in der Regel im Wesentlichen durch die Pflege und Erziehung des Kindes. Diese Erfüllung der Unterhaltspflicht wird Betreuungsunterhalt genannt. (zitiert: Oberfinanzdirektion; gem. § 1606 BGB)
Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind nicht befindet, ist bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sowie bei Eltern eines nichtehelichen Kindes grundsätzlich zur Leistung von Barunterhalt verpflichtet. Dieser Elternteil ist dann seiner Unterhaltspflicht i.S.d. des Barunterhalts im Wesentlichen nachgekommen, wenn er sie mindestens zu 75 % erfüllt. (zitiert: Oberfinanzdirektion; R 32.13 Abs. 2 EStR (https://www.jurion.de/de/document/show/0:1892586,160/) gem. § 1606 BGB)
Um den Antrag auf Übertragung des Freibetrages zu überprüfen, ist der Zeitraum maßgeblich, in der der Elternteil seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommen musste, also ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch bestand.
Wenn der Kinderfreibetrag übertragen wird, wird auch der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf übertragen.
Antragstellung:
Wenn ein Elternteil gem. § 32 Abs. 6 S. 6 EStG i.V.m. R 32.13 Abs. 4 EStR den Antrag auf Übertragung des Kinderfreibetrages stellt, muss er die o.g. Voraussetzungen darlegen. Unzureichend ist aus dem Grund nur das bloße Ankreuzen auf Übertragung des Kinderfreibetrages im Antrag.
Anschließend wird dem anderen Elternteil Gelegenheit gegeben, sich zum Sachverhalt zu äußern. Hierbei kann es dazu kommen, dass dieser nachweist, dass er seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommt. Er kann somit auch Einspruch gegen die Übertragung des Freibetrages auf den anderen Eltern einlegen.
Die Übertragung des Kinderfreibetrages scheidet in den Fällen aus, wenn der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung widerspricht, weil er Kinderbetreuungskosten durch das Bezahlen der Kindergartenbeiträge, Hortkosten, Essenskosten und das Kind regelmäßig selbst betreut , trägt (R 32.13 Abs. 4 EStR).
Diese Voraussetzungen sind jedoch monatsweise für die Übertragung zu überprüfen (gem. R 32.13 Abs. 4 EStR). Zuständig für die Bearbeitung des Antrags ist das Finanzamt.
Ausschluss der Übertragung der Freibeträge:
Die Übertragung der Freibeträge kann ausgeschlossen sein, wenn zwischen den Elternteilen eine Vereinbarung besteht, die die Unterhaltspflicht des anderen Elternteils entgeltlich freigestellt wurde.
Aus dem Grund können Sie eine Übertragung des Kinderfreibetrages Ihres Ex-Partners auf Sie übertragen lassen. Die Voraussetzungen, dass Ihr Ex-Partner nicht unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig ist, erwerbslos ist und seine Unterhaltspflicht nicht erfüllt.
Jedoch nur für die Zeiträume, wo Ihnen keine Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt wurden, gem. § 32 Abs. 6 S. 7 EStG.
Liebe Grüße
Weiteres Anliegen von Nicole Aßmann:
Vielen Dank für die schnelle und informationsreiche Antwort 🙂
Ist das richtig, dass man das beim Finanzamt macht?
Habe es mit dem Kindesvater besprochen. Er macht es nicht und würde es nicht tun.
Kann ich ihn dazu zwingen?
Welche Möglichkeit gibt es denn noch Unterhalt zu bekommen?
Unterhaltsvorschuss bekomme ich nicht mehr da die 72 Monate um sind.
MfG,
Nicole
Meinung zum neuen Anliegen des Nutzers Roland:
Hallo Nicole,
also Sie müssen selbst beim Finanzamt einen Antrag auf Überschreibung des Kinderzuschlages stellen. Es gibt einen Antrag, wo Sie das angeben können bzw. ankreuzen. Dann wird Ihr Finanzamt darüber entscheiden, ob die Voraussetzungen dafür vorlegen. Ggf. wird es den Kindesvater Gelegenheit geben sich dazu zu äußern. Anschließend wird Ihr Finanzamt das Finanzamt des Kindesvater darüber informieren.
Der Kindesvater bekommt nur bei Ihrem Antrag auf Überschreibung des Freibetrages Gelegenheit dazu, sich zu äußern. Aber soweit ich das hier beurteilen kann – natürlich nur unter Angabe Ihrer Informationen – sehen Ihre Chancen auf die Überschreibung gut aus.
Leider gibt es in der Hinsicht keine Möglichkeit mehr Unterhalt zu erlangen. Entweder geht der Kindesvater arbeiten und zahlt seinen Unterhalt. Wenn er jedoch nicht arbeiten geht, kann auch von ihm nicht heraus verlangt werden, da er leistungsunfähig ist.
Sie können lediglich Wohngeld, Kinderzuschlag oder Betreuungsgeld erhalten, falls Sie zu den Berechtigtenkreis kommen.
Gruß,
Roland
Neues Anliegen der Nutzerin Karin Moritz zu diesem Thema:
Hallo,
ich bräuchte auch mal einen Rat.Ich bin seit 14 Jahren von meinem Ex-Mann getrennt und seit 10 Jahren geschieden.Wir haben ein behindertes Kind ( imzwischen 29 Jahre alt ) Da ich immer nur einen Minijob hatte hat mein Ex all die Jahre den Kinder-, sowie den Betreuungs- und Behinderten- Freibetrag bei seiner Steuer abgesetzt, ohne dass mein Sohn davon etwas hatte. Seit 11 Jahren muss mein Mann keinen Unterhalt mehr für seinen Sohn zahlen, da das Kind Grundsicherung bekommt. Jetzt bin ich seit zweieinhalb Jahren wieder verheiratet. Mein Sohn lebt in unserem Haushalt und wir versorgen und betreuen ihn. Mein Ex- Mann hat sich seit unserer Trennung vor 14 Jahren nicht mehr um seinen Sohn gekümmert. Er ignoriert sein behindertes Kind ( sogar oder gerade in der Öffentlichkeit ), weil es ihm peinlich ist .
Im letzdem Jahr, also ein Jahr nach unserer Hochzeit, haben mein Mann und ich die Kinderfreibeträge voll vom Finanzamt bekommen und dieses Jahr macht mein Ex- Mann plötzlich wieder Ansprüche geltend.
Nun meine Frage.
Kann mein Ex-Mann, der sich in keinster Weise um sein Kind kümmert, obwohl er leistungsfähig wäre, aber nicht leistungspflichtig ist , die Hälfte des Kinderfreibetrages bekommen?
Um eine Antwort wäre ich sehr dankbar.
Liebe Grüße
Karin Moritz
Meinung des Nutzers Weise zu dem Anliegen von der Nutzerin Karin Motz:
Hallo Karin.
Nein, das Kindergeld oder eben der Kinderfreibetrag steht dem Elternteil zu, der sich um das Kind kümmert.
Genau dafür ist dieses Mittel ja da.
Wenn das Kind bei Ihnen wohnt und Sie sich um alles kümmert, sehe ich definitiv keinen Grund, wieso Ihr Ex-Mann Ansprüche geltend machen können soll.
Auf welcher Basis den bitte?